Kerstin Vieregge, CDU, Kandidatin für den Bundestag im Wahlkreis Lippe I
1. Die Zentralunterbringungseinrichtung (ZUE) für Flüchtlinge in Oerlinghausen ist seit Februar 2017 Schwerpunkteinrichtung für Geflüchtete aus dem Westbalkan. Ein Großteil der hier untergebrachten Geflüchteten stammt aus den sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“, die Asylverfahren werden im Schnellverfahren durchgeführt. Wie beurteilen Sie die Unterbringung und das Asylverfahren in dieser Einrichtung?
In 2015/16 wurden mehr als eine Millionen Asylanträge in Deutschland gestellt. Damit erreichten die Kapazitäten der ehrenamtlichen Helfer und der dt. Behörden ihre Grenzen. Wir möchten den Menschen aus Kriegsgebieten Schutz und Unterkunft bieten. Um diesen Anspruch optimal nachzukommen, wurde das Schnellverfahren für jene Antragsteller eingeführt, die auf Grund ihrer sicheren Herkunft eine minimale Chance auf Asyl haben. Das entlastet Helfer und Behörden.
2. Zu dem Thema Abschiebungen nach Afghanistan
Abschiebungen in jene Regionen von Afghanistan, in denen Menschen sicher leben können, halte ich – im Einklang mit dem Zwischenbericht des Auswärtigen Amtes – für vertretbar. Aktuell werden neben Straftätern und Gefährdern nur jene Personen zurückgeführt, welche die Identitätsfeststellung verweigern. Ein genereller Abschiebestopp würde den menschenverachtenden Schleppern in die Karten spielen. Denn wer es in die BRD schaffe, dürfte hier leben. Das wäre ein falsches Signal.
3. Was muss im Kreis Lippe in Bezug auf die Themen Flucht, Asyl und Aufenthalt von Geflüchteten geschehen?
In die Asylpolitik sind verschiedene öffentliche Träger involviert. Der Bund gibt die Richtlinien vor, die Länder organisieren bspweise die Abschiebungen und Aufgabe im Kreis Lippe ist es, jene Menschen mit Bleibeperspektive erfolgreich zu integrieren. Hier müssen staatliche und ehrenamtliche Akteure eng zusammenarbeiten. Wenn wir dabei Erfolg haben, dann ergeben sich daraus Lösungen für andere Herausforderungen wie zum Beispiel dem Fachkräftemangel.
Christian Haase, CDU, Kandidat für den Bundestag im Wahlkreis Höxter-Lippe II
1. Die Zentralunterbringungseinrichtung (ZUE) für Flüchtlinge in Oerlinghausen
Die Unterbringung in zentrale Einrichtungen bei Asylbewerbern mit geringer Bleibeperspektive ist absolut richtig. Man tut den Flüchtlingen keinen Gefallen, wenn man sie auf die Kommunen verteilt, Integrationsmaßnahmen beginnt und dann ein negativer Bescheid erfolgt. Auch die beschleunigten Verfahren sind richtig, denn die Menschen brauchen rasch Klarheit über ihren Aufenthaltsstatus. Die Anerkennungsquoten bei Asylbewerbern aus den Westbalkanländern sind verschwindend gering, daher ist die Einstufung als sichere Herkunftsstaaten und das beschleunigte Verfahren zweifellos gerechtfertigt. Diese Verfahren entlasten auch die Behörden, sodass mehr Ressourcen für die tatsächlich Schutzbedürftigen zur Verfügung stehen. Gleichzeitig sind auch beim beschleunigten Verfahren individuelle Prüfungen und Rechtsmittel weiterhin gewährleistet. Und falls das Verfahren nicht innerhalb einer Woche entschieden werden kann, wird ein „normales“ Asylverfahren ohne zeitliche Begrenzung durchgeführt. Für eine faire Behandlung ist also weiterhin gesorgt. Ich halte es für richtig, dass dieses Verfahren auch bei Asylbewerbern angewandt wird, die ihre Identität verschleiern oder anderweitig die Mitarbeit am Asylverfahren verweigern. Denn am Ende muss die Schutzbedürftigkeit der ausschlaggebende Grund sein, warum ein Asylbewerber in Deutschland bleiben darf, und nicht die ungeklärte Identität.
2. Zu dem Thema Abschiebungen nach Afghanistan
Rückführungen nach Afghanistan sind ein schwieriges Thema. Die Sicherheitslage ist dort natürlich schlechter als hierzulande. Ob das Land zu unsicher ist, um Menschen dorthin zurückzuführen, überlasse ich den Experten des Auswärtigen Amts. Diese haben die Lage bisher so bewertet, dass Rückführungen zumutbar sind. Ich kann diese Einschätzung nachvollziehen. Denn auf der einen Seite sorgt auch Deutschland mit Soldaten vor Ort dafür, dass das Land stabil ist. Hohe Kriminalitätsraten oder Terroranschläge können kein genereller Hinderungsgrund sein, denn beim Asyl- bzw. Flüchtlingsrecht geht es um andere Kriterien, um politische Verfolgung und Kriegszustände. Vor Anschlägen ist man auch in Europa nicht sicher, auch wenn die Afghanen diesen Terror deutlich häufiger erleiden müssen. Allerdings reicht ein Blick nach England, um zu sehen, dass auch in Europa Attentäter in kurzer Folge zuschlagen können. Auf der anderen Seite ist es schwer erklärbar, dass abgelehnte Asylbewerber, die hier schwere Straftaten verübt haben, oder islamistische Gefährder im Land bleiben dürfen. Das ist auch gegenüber möglichen späteren Opfern nicht verantwortbar. Bisher haben sich die Rückführungen auf diese Gruppe konzentriert. Aus meiner Sicht sollte man nun abwarten, bis ein neuer Lagebericht zu Afghanistan vorliegt. Wenn dieser die bisherige Bewertung bestätigt, sollten weiter verurteilte Straftäter und Gefährder aus Afghanistan in ihr Heimatland abgeschoben werden.
3. Was muss im Kreis Lippe in Bezug auf die Themen Flucht, Asyl und Aufenthalt von Geflüchteten geschehen?
Nachdem sich die Situation mangelnder Unterbringungsplätze entspannt hat, ist nun die Integration der schutzbedürftigen Flüchtlinge die nächste große Aufgabe. Dies ist ein langwieriger Prozess, der viele Jahre dauern wird. Und er wird ohne die ehrenamtliche Hilfe, wie sie auch die Flüchtlingshilfe Lippe leistet, nicht zu bewältigen sein. Für Ihr Engagement möchte ich Ihnen an dieser Stelle meinen Dank und meine Anerkennung aussprechen.
Es ist wichtig, dass Städte und Gemeinden ganzheitliche Integrationskonzepte entwickeln, wie es beispielsweise in der Stadt Lügde der Fall ist. Dafür müssen die verschiedenen Stellen (Kreis, Stadt, Jobcenter, Ausländeramt, Ehrenamtliche und Schulen) miteinander vernetzt sein und an einem Strang ziehen. Eine wichtige Maßnahme, damit Integration für die Kommunen planbar ist, ist die Wohnsitzauflage, die mit dem Integrationsgesetz im letzten Jahr eingeführt wurde. Für viele Flüchtlinge ist es sicher zunächst einfacher, bei Landsleuten in den großen Städten unterzukommen und geringfügige Arbeit zu finden, aber mittelfristig führt das zu Parallelgesellschaften. Der harte Weg über Sprachkurse und beruflicher Bildung ist der richtige Weg. Dazu sollten wir die Flüchtlinge verpflichten. Im Gegenzug erhalten Flüchtlinge, die die deutsche Sprache beherrschen und ihren Lebensunterhalt überwiegend selbst sichern können, vorzeitig eine Niederlassungserlaubnis.
Am Ende einer gelungenen Integration muss die Integration in den Arbeitsmarkt stehen. Dieser Prozess wird nach Expertenmeinungen durchschnittlich sieben Jahre dauern und viel Kraft kosten – für die Flüchtlinge und den Staat gleichermaßen. Ich denke aber, dass gerade wir im ländlichen Raum gute Chancen haben, dass Integration gelingt. Nachdem mit Willkommens- und Sprachkursen der erste Schritt getan ist, fällt hier der soziale Kontakt zu Deutschen viel leichter als in der anonymen Großstadt, wo die Flüchtlinge zudem in ihren Gemeinschaften mit Landsleuten gänzlich ohne Kontakt zur Mehrheitsgesellschaft leben können. Auch das aktive Vereinsleben auf dem Land kann den Flüchtlingen bei der Integration helfen. Die Städte und Gemeinden im Kreis Lippe haben gute Voraussetzungen, die Herausforderung Integration zu meistern.